Aktuelles 2/2020

Bundesverfassungsgericht befasst sich mit Messverfahren Poliscan Speed M1 von Vitronic

Seit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes vom 05.07.2019 befassen sich die Amtsgerichte, Oberlandesgerichte und inzwischen auch einige Landesverfassungsgerichte mit der Frage, ob ein Messverfahren zulässig sein kann, bei welchem die Rohmessdaten direkt nach der Messung nicht gespeichert sondern gelöscht werden, womit eine nachträgliche Überprüfung des Messergebnisses unmöglich gemacht wird. In fast allen gerichtlich entschiedenen Fällen im Nachgang zur Saarland-Entscheidung kam man dazu, dass man die verfassungsgerichtlichen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht teilt. Die Begründungen hiefür waren mitunter geradezu hanebüchen und erweckten den Eindruck, dass es wohl irgendwie wichtiger eingestuft wurde, zukünftig weiterhin mit jenen Lasermessgeräten blitzen zu können. Würde man nämlich den verfassungsgerichtlichen Bedenken aus dem Saarland folgen, würde dies dazu führen, dass ein Großteil gerade der neueren Messgeräte außer Betrieb zu nehmen wäre. In der Folge müssten diese Geräte dann so modifiziert werden, dass die Rohdaten nach der Messung eben nicht gelöscht, sondern für spätere Überprüfungen gespeichert werden. Technisch wäre dies völlig unproblematisch möglich. Nur wäre dann zu befürchten, dass die Geräte eine neue Zulassung benötigen, was allerdings auch nicht problematisch erscheint. Zudem aber wäre es dann wieder möglich, Messergebnisse auch einmal durch einen eigenen Sachverständigen auf deren Richtigkeit überprüfen zu lassen. Und wer will das behördenseits schon. Eigentlich ist ein solches Agieren von Geräteherstellern, PTB und Bußgeldbehörden ein Skandal. Für manchen Betroffenen hängt an einem solchen Bußgeldverfahren einiges dran und dann werden jegliche Überprüfungsmöglichkeiten der Richtigkeit des Messergebnisses einfach mal so abgeschafft. Mit einem rechtsstaatlichen Verständnis lässt sich das nur schwer in Einklang bringen.

Seltsamerweise hatte im Nachgang dazu kein einziges Obergericht eine Veranlassung gesehen, diese zumindest streitige Rechtsfrage einmal dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Schließlich hätte dieses ja möglicherweise im Sinne des Bürgers entscheiden können. Auch das musste nun wieder ein Anwalt tun. Und war dabei erfolgreich - siehe hier. Ein kleiner Wermutstropfen könnte aber dabei sein. Der Kollege hat bei einem Messverfahren, bei welchem ebenfalls keine Rohmessdaten gespeichert werden, schon im Vorverfahren und dann weiterführend in den Instanzen die Beiziehung der Rohmessdaten verlangt. Das ist grundsätzlich der richtige Weg. Durch alle Instanzen hindurch hat man dies ignoriert. Ein Verteidiger bzw. Betroffener habe nur Anspruch auf das, was sich in der Akte befindet. Mehr könne man nicht bekommen. In der Ermittlungsakte befanden sich natürlich keine Rohmessdaten. Wie auch, selbige werden vom Messgerät ja nicht gespeichert. In der Nichtherausgabe dieser Rohmessdaten wurde vom Bundesverfassungsgericht nun völlig zutreffend ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG gesehen. Dem Verteidiger des Betroffenen sind auch solche Messdaten für ggf. eigene Überprüfungen herauszugeben, die sich nicht bei der Akte befinden. Nun steht zu befürchten, dass zukünftig die Verwaltungsbehörden in solchen Verfahren sich hinstellen und sagen, wir verweigern entgegen dem Bundesverfassungsgericht keine Herausgabe, nur wir haben halt nichts. Wenn man sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes genau durchliest, erscheint es so, dass man sich hiermit gar nicht auseinandergesetzt hat. Offenbar geht das Bundesverfassungsgericht gar nicht davon aus, dass solche Rohmessdaten gelöscht und damit gar nicht mehr vorhanden sein könnten. Allerdings kann man es den Richtern beim Bundesverfassungsgericht auch nicht verdenken, wenn man sich dort mit den technischen Einzelheiten des Messgerätes nicht auseinandersetzt und einfach auch gar nicht damit rechnet, dass ein Messgerät so gebaut und programmiert sein könnte, dass eben die verfahrensgegenständlichen Rohmessdaten, welche immerhin Beweise sind, einfach nach der Messung gelöscht werden. Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hatte sich im Fall von TraffiStar S 350 damit noch auseinandergesetzt und war dann weitergehend zu der richtigen Entscheidung gelangt, dass so etwas natürlich nicht rechtmäßig sein kann und damit ein solches Messverfahren ohne Speicherung der Rohmessdaten für spätere Überprüfungen nicht verwendet werden darf.

Es bleibt nun abzuwarten, wie in nächster Zukunft die Fachgerichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes Beachtung schenken. Es steht zu befürchten, dass verfassungsgerichtlich hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Konsequenterweise kann es natürlich nicht sein, dass das vom Bundesverfassungsgericht einem Verteidiger bzw. Betroffenen eingeräumte Recht, die Rohmessdaten für eigene Überprüfungen einsehen zu dürfen, dadurch unterlaufen wird, indem diese Daten einfach weiterhin gelöscht werden. Das würde einen geradezu zynischen Zirkelschluss ergeben, der verfassungswidriger kaum sein kann.   

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