Traffistar S 350 in der Kritik
Zu einem der neueren Messverfahren zählt das Traffistar S 350 von Jenoptik. Es handelt sich um ein Lasermesssystem, welches von der Funktionsweise den Messgeräten bzw. Messsystemen Vitronic Poliscan oder Leivtec XV 3 ähnelt.
Es handelt sich wie bei den meisten Messanlagen um ein so genanntes standardisiertes Messverfahren. Dies hat für den Betroffenen und seinen Verteidiger zur Folge, dass die Richtigkeit des Messergebnisses nur eingeschränkt angreifbar ist. Bei einem standardisierten Messverfahren muss ein Gericht einem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Richtigkeit des Messergebnisses nur nachgehen, wenn von der Verteidigung konkrete Anhaltspunkte für etwaige Messfehler dargelegt werden. Mit Behauptungen "ins Blaue hinein" kommt man in der Regel nicht weit. In vielen Fällen führt dies dazu, dass bei etwaigen Zweifeln, für die es jedoch noch keine konkret vortragbaren Anhaltspunkte hinsichtlich einer Fehlmessung gibt, im Vorfeld ein Sachverständiger hinzugezogen wird (natürlich erst nach Kostendeckung des Rechtsschutzversicherers).
Beim Traffistar S 350 musste jedoch festgestellt werden, dass vom Messgerät die für eine solche Überprüfung relevanten Rohmessdaten und insbesondere auch der Zeitstempel, welcher für eine Überprüfung der Ermittlung des Messergebnisses erforderlich ist, nicht gespeichert bzw. nach erfolgter Messung sogar gelöscht wurden. Eine Überprüfung im Nachgang ist damit schlichtweg unmöglich.
Zum Glück gibt es aber Gerichte, welche es sich nicht mit einem Verweis auf ein standardisiertes Messverfahren einfach machen, sondern die Sache wirklich einmal hinterfragen. So hat das AG Stralsund klargestellt, dass es so eben nicht geht. Wenn von einem Messgerät von vornherein jegliche Möglichkeit, das Messergebnis zu überprüfen, vereitelt wird, dann mag dies vielleicht standardisiert geschehen, aber dann ist dies dann auch eine standardisierte Beschneidung der Amtsermittlungsmöglichkeit.
Hier ist das sehr zu begrüßende Urteil im Volltext:
"Aktenzeichen: 324 OWi 554/16
Amtsgericht Stralsund
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Bußgeldverfahren
gegen ...
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Amtsgericht Stralsund - Richter für Bußgeldsachen - aufgrund der Hauptverhandlung vom 07.11.2016, an der teilgenommen haben:
Richter am Amtsgericht als Strafrichter
Rechtsanwalt als Verteidiger
für Recht erkannt:
Der Betroffene wird freigesprochen.
Der Staatskasse werden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen auferlegt.
Gründe:
Der Betroffene war vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
Der Betroffene hat - von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden - über seinen Verteidiger die Fahrzeugführereigenschaft eingeräumt, jedoch die Geschwindigkeitsüberschreitung in Abrede gestellt.
Die zugrundeliegende Geschwindigkeitsmessung erfolgte unter Verwendung des Messgerätes TrafftStar S 350/S mit der Nummer 509-000/60231.
Grundlage für das In-Verkehr-Bringen dieses Messgerätes sind die Konformitätsbewertung und die Konkormitätserklärung.
Mit der ausweislich der Sitzungsniederschrift verlesenen Konformitätserklärung des Herstellers wird bestätigt, dass das Messgerät den gesetzlichen Anforderungen genügt.
Grundlage für die Ausstellung der Konformitätserklärung sind u.a. die Baumusterprüfbescheinigung mit der Nummer DE-15-M-PTB-0030 vom 24.07.2015 und die Konformitätsbescheinigung im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens nach Modul F vom 11.09.2015 mit der Nummer D72Z-15-00087 des Thüringer Landesamtes für Verbraucherschutz, Zertifizierungsstelle, Kennnummer 0118, welche ausweislich der Sitzungsniederschrift ebenfalls verlesen wurde.
Demgemäß hat das Messgerät ein Konformitätsbewertungsverfahren nach Modul B (Baumusterprüfung) und Modul F (Konformität mit der Bauart auf der Grundlage einer Produktprüfung) erfolgreich durchlaufen. Damit kann das Messgerät grundsätzlich in Verkehr gebracht werden.
Es genügt gleichwohl nicht den gerichtlichen Anforderungen, die an eine Geschwindigkeitsmessung im standardisierten Messverfahren zu stellen sind.
So hat der DEKRA-Sachverständige, Dr. pp. im Rahmen der Hauptverhandlung ausgeführt, dass die bei der Messung mit dem Messgerät TrafftStar S 350 Nr. 509-000/60231 gewonnenen Messdaten eine unabhängige Geschwindigkeitskontrolle nicht annäherungsweise möglich machen, da der Hersteller den Zeitstempel bei der Messdatenerfassung bewusst gelöscht habe.
Zwar können mit dem vom Sachverständigen verwendeten Auswerteprogrammen Robot BiffProcess 2.3 verschiedenste Daten aus der Falldatei des Betroffenen ausgelesen werden. Über diese Zusatzdaten sei es - so der Sachverständige - allerdings nicht möglich, die gemessene Geschwindigkeit nachzuvollziehen. Damit gibt es bei dem hier verwendete Messgerät keine technische Möglichkeit, die quanitative Höhe des Messwertes im Einzelfall zu kontrollieren.
Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass eine herstellerunabhängige Prüfung des Messergebnisses mit dem Messgerät TraffiStar S 350 in der vorliegenden Softwareversion unmöglich ist.
Bereits das Amtsgericht Kassel hat mit Entscheidung vom 24.08.2016 Messwerte einer Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät TraffiStar S 350 als Beweismittel im standardisierten Messverfahren verworfen, weil die eingesetzte Technik die Weg-Zeit-Rechnung nicht nachvollziehbar mache.
Dem schließt sich das Gericht an.
Zwar erfüllt das Messgerät TraffiStar S 350 insoweit die Voraussetzungen eines standardisier-ten Messverfahrens, als hier ein einheitliches technisches Verfahren zur Anwendung kommt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und seines Ablaufs so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.
Die Anerkennung als standardisiertes Messverfahren führt zu einer Vereinheitlichung des Amtsermittlungsgrundsatzes, bei welcher das erkennende Gericht sich nur dann von der Zuverlässigkeit der Messung, beispielsweise durch Sachverständigenbeweis, überzeugen muss, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler gegeben sind.
Da das vorliegend verwendete Messgerät des Typs TraffiStar S 350 jedoch von vorneherein die Möglichkeit ausschließt, die Zuverlässigkeit der Messung etwa durch Sachverständigenbeweis zu überprüfen und somit die Amtsermittlungsmöglichkeit quasi standardisiert beschnitten ist, kommt eine Anerkennung als standardisiertes Messverfahren nach Ansicht des Gerichts nicht mehr in Betracht.
Mangels Anerkennung als standardisiertes Messverfahren genügt deshalb allein die Verlesung von Konformitätsbescheinigung, Konformitätserklärung und der Datenleisten des Messfotos nicht für die sichere gerichtliche Überzeugung der Zuverlässigkeit der Messwerterhebung aus.
Da die zur Messwertüberprüfung erforderlichen Daten durch das System nicht gespeichert werden, besteht im Nachgang zur Messung auch keine Möglichkeit, über die Zuverlässigkeit des Messwertes Beweis zu erheben.
Bei dieser Sachlage fehlt es an einem tauglichen Beweismittel für die dem Beschuldigten zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung.
Er ist daher aus tatsächlichen Gründen mit der Kostenfolge aus §§ 467 StPO, 46 OWiG freizusprechen."